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Gotthold Ephraim Lessing
EMILIA GALOTTI


Premiere: 17. Januar 2007, Fürstensaal Landgrafenschloss Marburg

Fotos link |

Besetzung:
Inszenierung -
Ausstattung -
Dramaturgie -

Regieassistenz -
Soufflage -
Karl Georg Kayser
Frank Chamier
Annelene Scherbaum

Anja Benndorf
Kerstin Reinsberg
EMILIA GALOTTI

Darsteller:
Emilia Galotti - Franziska Endres | Odoardo Galotti - Jochen Nötzelmann a.G. | Claudia Galotti - Uta Eisold | Hettore Gonzaga/Prinz v. Guastalla - Daniel Sempf | Marinelli - Peter Meyer | Camillo Rota - Christian Holdt | Graf Appiani - Ullrich Wittemann | Conti - Stefan Gille | Gräfin Orsina - Ulrike Knobloch | Pirro - Christian Holdt | Angelo - Stefan Gille 

Technische Leitung - Fred Bielefeldt | Beleuchtung - Susann Förster | Requisite - Margarita Belger | Maske - Grit Anders | Inspizienz - Ito Grabosch | Ton - Ronald Strauß | Garderobe - Elisabeth Müller | Schneiderei - Eva Nau, Kathleen Gröb, Gisela Schmidt, Claudia Siebenborn

Stück:

Wie wird ein liebendes Mädchen zum Spielball der Macht?

Emilia steht kurz vor ihrer Hochzeit mit dem Grafen Appiani, als der charmante, aber auch gewissenlose Prinz von Guastalla ihrem Anblick verfällt. Er beauftragt seinen Kammerherrn Marinelli, die Hochzeit zu hintertreiben. In der Hochzeitskutsche, auf dem Weg zur Trauung, überfällt Marinelli Emilia mit ihrer Mutter und tötet den Bräutigam. Emilia wird auf das nahegelegene Lustschloss des Prinzen gebracht und festgehalten. Als er sie immer mehr bedrängt, gerät sie zusehends in Verzweiflung, denn sie fürchtet weniger die körperliche Gewalt, als ihre eigene Verführbarkeit. Der auf das Schloss geeilte Vater Odoardo trifft auf Orsina, der abgewiesenen und eifersüchtigen Geliebten des Prinzen, die Odoardo anstiftet, den Prinzen zu erdolchen. Emilia aber erbittet den Dolch für sich...


Pressestimmen:

Oberhessische Presse ( vom 18.02.2007 )

Verführung ist die wahre Gewalt

Marburg. Es gehört Mut dazu, an Karneval ein Trauerspiel zu zeigen. Der Mut des Hessischen Landestheaters wurde am Samstag nach der Premiere von „Emilia Galotti“ mit langem Applaus belohnt.

von Gabriele Neumann

Er gilt nicht eben als leichte Unterhaltung. Doch die Werte, die Gotthold Ephraim Lessing in seinem Werk verfolgt, sind so zeitlos, dass der große Aufklärer und Rationalist auch heute noch zur Pflichtlektüre in Schulen gehört.

Eines seiner meist gelesenen Stücke ist „Emilia Galotti“, ein Trauerspiel über die tugendhafte Tochter im Zentrum eines Spiels aus Liebe, Intrige und politischem Kalkül. 250 Jahre alt ist der Stoff Lessings nach einer antiken Vorlage. Wie im Virginia-Motiv zieht die Jungfrau auch bei Lessing den Tod der Verführung vor, denn „Verführung ist die wahre Gewalt“.

Franziska Endres gibt die Titelheldin als naive, kindliche Tochter aus gutem, aber armem Hause. Der ihr zugedachte Gatte, Graf Appiani (Ulrich Wittemann), spielt in dem Drama nur eine Nebenrolle. Die Hauptrolle fällt in der Inszenierung Karl Georg Kaysers auch nicht dem Prinzen zu.

Daniel Sempf verkörpert diesen ungewollten Verehrer Emilias als zügellosen Dandy, der zur gut gewählten Hintergrundmusik von Jürgen Sachs (Bass) und Thomas Streibig (Gitarre, Saxophon) durch sein Privatgemach tollt.

Doch weder Prinz noch Graf sind die zentralen Figuren. Es ist vielmehr der Marchese Marinelli, der auf der runden „Arena“-Bühne im Fürstensaal die Fäden zieht. Und Peter Meyer als Marinelli zieht sie gut. Sportlich flott im Business-Anzug braucht er für den Verrat an Freund und Feind kaum länger als für einen Schluck Kaffee.

Süffisant lächelnd und nonchalant windet er sich aus jeder Kommunikations-Sackgasse geschickt heraus, lässt jede seiner Entscheidungen als logischen Schluss aus den Wünschen anderer erscheinen.

Es ist dies überhaupt die Schlüsselidee in Kaysers Inszenierung: das Scheitern von Kommunikation – zufällig oder geplant. Und dieses Thema ist heute so aktuell wie bei der Uraufführung „Emilia Galottis“ im Jahr 1772.

Dass die Kommunikation zwischen Schauspielern und Publikum durch Lessings komplexen Satzbau aus dem 18. Jahrhundert nicht leidet, ist auch Dramaturgin Annelene Scherbaum zu verdanken, die einige Stellen sprachlich behutsam modernisiert hat.

Ausstatter Frank Chamier hat wieder vor allem auf Lichtwirkung gesetzt. Neonröhren generieren das verschiedenfarbige Licht, das meist in kalten Farben die kaltblütigen Absichten der Beteiligten begleitet. Nur der Braut ist warmes, gelbes Licht vorbehalten.

Kleine Lichtkästen auf dem Rund der Bühne dienen auch als Requisite, als Stühle, unterteilen den sonst gänzlich offenen Raum vor dem silbernen Vorhang.

Modern und doch nicht der Tradition beraubt hat Kayser den klassischen Stoff in Marburg inszeniert. Kurze chorische Einwürfe unterstreichen Schlüsselsätze wie Odoardo Galottis Befürchtung: „Ein Schritt ist genug zu einem Fehltritt“.

Dass die Premieren-Zuschauer zwei Stunden lang gebannt bei der Stange bleiben, ist aber auch das Verdienst einer stimmigen Ensemble-Leistung, in der besonders die selbstironische Glanzleistung Peter Meyers und das komische Talent Thomas Streibigs in einer kleinen Doppel-Nebenrolle als Maler Conti und Hausdiener Pirro hervorzuheben sind.

Auch Daniel Sempf als Prinz hält in seiner ersten großen Rolle in Marburg gut mit, wenn er auch manchmal ein wenig überagiert, und Uta Eisold und Jochen Nötzelmann wirken als Eltern Emilia Galottis tatsächlich wie ein alt eingespieltes Ehepaar.

Ulrike Knobloch als mondäne Gräfin Orsina und Christian Holdt in der Doppelrolle des finsteren Meuchelmörders Angelo als Mafioso-Karikatur mit Sonnenbrille und langem Ledermantel und als pedantischer Buchhalter Rota komplettieren das Ensemble.

Mit langem, sich steigerndem Applaus und Fußstampfen bedanken sich die Zuschauer für das Stück, das in dieser Fassung mehr als Pflichtlektüre für Schulklassen ist. Nächste Aufführungen: 20., 21. Februar, 3. März, jeweils 20 Uhr, 4. März, 18 Uhr, im Fürstensaal.



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